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Gendern oder Gendering (von englisch gender „soziales Geschlecht“: etwa „Vergeschlechtlichung“) ist eine eingedeutschte Wortbildung aus dem angelsächsischen Sprachraum und bezeichnet die Berücksichtigung oder Analyse des Geschlechter-Aspekts in Bezug auf eine Grundgesamtheit von Personen, etwa in Wissenschaft, Statistik und Lehre. Im besonderen Sinne steht das Gendern für einen geschlechterbewussten Sprachgebrauch, der im Interesse der Gleichstellung der Geschlechter mit Veränderungen der herkömmlichen (Schrift-)Sprache einhergeht. In sozialen Medien wird gendern oft nur auf den Einsatz von besonderen Zeichen wie dem Gendersternchen bezogen (Nutzer*Innen oder Nutzer*innen), teils abfällig als „Genderei“ bezeichnet.

Gendern in der Deutschen Sprache[]

Arten[]

Um einen gendergerechten Sprachgebrauch umzusetzen, haben sich für Personen- und Berufsbezeichnungen die folgenden Schreibweisen entwickelt – bei einigen werden Formulierungen im Singular als unpassend vermieden:

1. Beidnennung (Paarform, Doppelnennung)

  • Vollständige Nennung der männlichen und weiblichen Wortform statt verallgemeinerndem generischen Maskulinum (alle Schüler, viele Kollegen):
Schülerinnen und Schüler (höfliche Variante)
Kollegen und Kolleginnen… ein Kollege oder eine Kollegin
Abkürzungen (Sparformen)
  1. Gender-Klammer
    • Anhängen der movierten weiblichen Wortendung in Klammern (früher auch mit Bindestrich):
    Schüler(innen)… ein(e) Schüler(in)
    Kolleg(innen) – kein Singular möglich
  2. Gender-Schrägstrich
    • Verkürzung mit Schrägstrich:
    Schüler/innen… ein/e Schüler/in
    Kolleg/innen… ein Kollege/eine Kollegin
    amtliche Rechtschreibregel (laut Duden nur mit Ergänzungsstrich):[D 3]
  1. Schüler/-innen… ein/eine Schüler/-in
    Kolleg/-innen… ein Kollege/eine Kollegin
  2. Binnen-I
    • Verkürzung unter Verwendung eines großgeschriebenen „i“ und manchmal einem großen „e“ im Singular:
    SchülerInnen… einE SchülerIn  (SchülerIn)
    KollegInnen (KollegInnen)
    Die amtlichen Rechtschreibregeln sehen Binnengroßbuchstaben nicht vor.[D 4]

2. Inklusion

  1. Gender-Gap
    • Verkürzung beider Wortformen mit einem Unterstrich (gap: „Lücke“), der auch nichtbinäre Geschlechtsidentitäten und intersexuelle Personen einschließen soll (soziale Inklusion, Diversität):
  1. Schüler_innen… ein_e Schüler_in
    Kolleg_innen
  2. Genderstern
    • Verkürzung mit Asterisk, um alle Geschlechter einzuschließen:
  1. Schüler*innen… ein*e Schüler*in
    Kolleg*innen
  2. Gender-Doppelpunkt
    • Verkürzung mit Doppelpunkt für alle Geschlechter:
  1. Schüler:innen… ein:e Schüler:in
    Kolleg:innen

3. Gender-Neutralität

  1. Neutralisierung durch eine geschlechtsneutrale Bezeichnung:
    Schülerschaft… ein Schulkind
    Kollegium
  2. Umformulierung ohne Personenbezeichnung:
    Teilnehmer → es nehmen teil
    die Zuhörer → das Publikum
    Fußgängerweg → Gehweg

Einschränkungen[]

Eine Verpflichtung für Dienstleister, „gendergerecht“ zu formulieren, hat im März 2018 der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in einem Einzelfall verneint: Das oberste deutsche Zivilgericht wies die Klage der 80-jährigen Frauenrechtlerin Marlies Krämer ab, die von ihrer örtlichen Sparkasse verlangte, in persönlichen Anschreiben als „Kundin“ angesprochen zu werden statt mit der grammatisch männlichen Wortform „Kunde“ als generischem Maskulinum. Auch die weiblichen Wortformen „Kontoinhaberin, Empfängerin“ beanspruchte sie für sich statt „Kontoinhaber, Empfänger“. Die Formularsprache dürfe aber maskulin bleiben, und Frauen erlitten aus Sicht des BGH keinen Nachteil, wenn sie in Vordrucken mit dem generischen Maskulinum angesprochen werden. Die Sprachwissenschaftlerin Carolin Müller-Spitzer kritisierte die Urteilsbegründung des BGH: „Diese Auffassung steht allerdings im Widerspruch zu einer Vielzahl empirischer Studien, die sich u. a. mit der Frage beschäftigen, wie das generische Maskulinum verstanden wird.“ Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, Maria Wersig, bedauerte die Entscheidung des BGH und erklärte, in Sachen geschlechtergerechter Sprache bleibe viel zu tun. Marlies Krämer kündigte an, vor das Bundesverfassungsgericht und notfalls vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu ziehen. Im Juli 2020 wies das Bundesverfassungsgericht die Klage wegen eines Mangels bei der Antragsbegründung ab. Die mittlerweile 82-jährige Klägerin erklärte, nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu ziehen: „Ich gebe nicht auf, ich mache weiter, bis das Rennen gelaufen ist“.

Die deutsche Partei Die Linke erklärte im September 2019: „Im Interesse des flüssigen Lesens und der Maschinenlesbarkeit ist auf eine ‚gegenderte‘ Schreibweise zu verzichten. Es ist also stets von ‚Nutzerinnen und Nutzer‘ zu schreiben.“  Mit gendern waren hier allerdings nur die Sonderzeichen Genderstern, Binnen-I und Gender Gap gemeint, die von Vorlesegeräten teilweise unverständlich übersetzt würden und es Menschen mit Behinderungen erschweren, Dokumente im Internet zu lesen. Nicht betroffen von diesem Beschluss seien Programm- und Flyertexte.