Manifest #ActOut (von englisch to act out „vorführen, durchspielen“, sowie to act „schauspielern“ und out wie in Coming-Out; mit Hashtag #) ist der Name einer gesellschaftspolitischen Initiative, die sich einsetzt für mehr Akzeptanz und Anerkennung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, queeren, intergeschlechtlichen und Nob-Binary-Personen sowohl in der Gesellschaft wie auch innerhalb der deutschsprachigen Film-, Fernseh- und Theaterbranche. Initiiert wurde das Manifest durch Karin Hanczewski, Eva Meckbach, Godehard Giese sowie Mehmet Ateşçi und am 5. Februar 2021 veröffentlicht, unterzeichnet von 185 schauspielerisch Tätigen.
Inhalt des Manifests[]
Das Manifest wurde am 5. Februar 2021 im Magazin der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, begleitet von ausführlichen Interviews auf insgesamt 14 Seiten. Für viele der Beteiligten bedeutete die Aktion ein Coming-Out in Form eines Selbstbekenntnisses zur eigenen privaten Lebensweise. Zeitgleich wurde der Text Manifest #ActOut auf einer eigenen Website veröffentlicht. Schnell wurde die Initiative in sozialen Medien verbreitet, der Text war bald in 16 Sprachen abrufbar. Das Manifest beginnt mit der Erklärung:
„Wir sind hier und wir sind viele! Wir sind Schauspieler:innen und identifizieren uns unter anderem als lesbisch, schwul, bi, trans*, queer, inter und non-binär.“
Die 185 Unterzeichnenden möchten einen Denkanstoß auslösen und wenden sich gezielt an „Agent:innen, Caster:innen, Kolleg:innen, Produzent:innen, Redakteur:innen, Regisseur:innen“ (mit typografischem Gender-Doppelpunkt). Auslöser sind negative Erfahrungen, die viele schauspielerisch Tätige während ihrer Karriere machen mussten, wenn es um ihre eigene sexuelle Identität beziehungsweise Orientierung oder um ihre Geschlechtsidentität beziehungsweise ihr Gender geht. So schilderte beispielsweise Karin Hanczewski im Interview mit dem SZ-Magazin, dass sie vor einem Coming-out in Hinsicht auf die Besetzung weiterer Rollenangebote gewarnt worden sei, nachdem sie für die Krimireihe Tatort besetzt wurde. Entsprechend hebt das Manifest hervor:
„Wir sind Schauspieler:innen. Wir müssen nicht sein, was wir spielen. Wir spielen, als wären wir es – das ist unser Beruf.“
Die Unterzeichnenden geben an, dass sie selbst im Berufsleben nicht offen mit ihrem Privatleben umgehen konnten, ohne dadurch berufliche Nachteile befürchten zu müssen. Es gehe ihnen vor allem darum, mehr Sichtbarkeit und Verständnis für Diversität zu schaffen und auch innerhalb von Filmen und Serien im Sinne sozialer Inklusion mehr „Facetten“ zu zeigen: „Unsere Gesellschaft ist längst bereit. Die Zuschauer:innen sind bereit. Unsere Branche soll für ein Miteinander stehen und in ihrer Vielfältigkeit die Gesellschaft abbilden.“ Das Manifest endet mit den Worten:
„Wir freuen uns auf all die neuen Geschichten, die wir gemeinsam darstellen und erzählen können. Die Welt verändert sich, wir tragen alle dazu bei!“
Die Mitinitiatorin Eva Meckbach erklärte dem NDR:
„Als […] in den 90er-Jahren der Film Aimée & Jaguar herauskam, bin ich mit dem Zug nach Ulm ins Kino gefahren und habe das mit meiner ganzen Seele aufgesogen. Diese Geschichten erzählt zu bekommen, aber auch Vorbilder zu haben wie Maren Kroymann, Ulrike Folkerts oder Hape Kerkeling – das war unglaublich wichtig, damit man selber spürt: Wer darf ich sein in dieser Welt? Wer kann ich sein in dieser Welt? Das werden viele Menschen nachvollziehen können, dass man Vorbilder braucht, an denen man wachsen kann. Deswegen waren wir davon überzeugt, dass diese Sichtbarkeit ganz wichtig ist, um dieses Statement zu setzen.“
Unterzeichnende[]
Zu den 185 Personen, die unterzeichneten, gehören neben den 4 Initierenden Karin Hanczewski, Eva Meckbach, Godehard Giese und Mehmet Ateşçi:
- Merve Aksoy
- Mazen Aljubbeh
- Erwin Aljukic
- Torben Appel
- Giovanni Arvaneh
- Silja Bächli
- Emma Bading
- Fabian Baecker
- Philipp Basener
- Matthias Beier
- Andreas Berg
- Knut Berger
- Jonathan Berlin
- Mareike Beykirch
- Silvia Bieler
- Dominik Bliefert
- Ruth Bohsung
- Christian Bojidar
- Oska Melina Borcherding
- Niels Bormann
- Daniel Breitfelder
- Oliver Broumis
- Martin Bruchmann
- Katja Bürkle
- Matthias Buss
- Bruno Cathomas
- Billa Christe
- Benny Claessens
- Franziskus Claus
- Lana Cooper
- Sergej Czepurnyi
- Armin Dallapiccola
- Steve Devonas
- Patrick Diemling
- Luka Dimic
- Aviran Edri
- Thea David Ehrensperger
- Nico Ehrenteit
- Christoph Eichhorn
- Jules Elting
- Wolfgang Engel
- Christian Erdt
- Luc Feit
- Julius Feldmeier
- Daniel Noël Fleischmann
- Ulrike Folkerts
- Matthias Freihof
- Monika Freinberger
- Lisa Charlotte Friederich
- Emilia de Fries
- Maximilian Gehrlinger
- Peter Geisberg
- Lamin Leroy Gibba
- Max Gindorff
- Vincent Glander
- Richard Gonlag
- Julia Gräfner
- Julian Greis
- Jörn Grosse
- Roberto Guerra
- Eva Medusa Gühne
- Patrick Güldenberg
- Max Haase
- Lina Habicht
- Bineta Hansen
- Thomas Hauser
- Max Hegewaldt
- Luise Helm
- Hauke Heumann
- Benjamin Hille
- Lorenz Hochhuth
- Tim-Fabian Hoffmann
- Anna Holmes
- Bettina Hoppe
- Mavie Hörbiger
- Heinrich Horwitz
- Jan Hutter
- Florian Jahr
- Daniel Jeroma
- Eva Maria Jost
- Tom Keune
- Michaela Kis
- Desire Klaeukens
- Maj-Britt Klenke
- Benjamin Kornfeld
- Jeremias Koschorz
- Luca Kotikova
- Max Krause
- João Kreth d’Orey
- Maren Kroymann
- Manuel Krstanovic
- Josia Krug
- Jan Henning Krus
- Manja Kuhl
- Dietrich Kuhlbrodt
- Stefan Kurt
- Sarah Laminger
- Nicola Rabea Langrzik
- Anna Gesa-Raija Lappe
- Philipp Leinenbach
- Leroy Leone
- Ariel Nil Levy
- Thure Lindhardt
- Richard Lingscheidt
- Constantin Lücke
- Matthias Luckey
- Markus Manig
- Zeljko Marovic
- Ulrich Matthes
- Julian Mau
- Sylvia Mayer
- Markus Meyer
- Bernd Moss
- Hannah Müller
- Stephen Multari
- Maximilian Mundt
- Kumar Muniandy
- Klaus Nierhoff
- Petra Niermeier
- Valerie Oberhof
- Adel Onodi
- Nadine Quittner
- Ingo Raabe
- Anton Rattinger
- Damian Rebgetz
- Sophie Reichert
- Martin Reik
- Emma Rönnebeck
- Marie Rönnebeck
- Ulrike Röseberg
- Janet Rothe
- Nils Rovira-Muñoz
- Tucké Royale
- Robert Rožić
- Udo Samel
- Pierre Sanoussi-Bliss
- Brix Schaumburg
- Milena Arne Schedle
- Victor Schefé
- Til Schindler
- Elena Schmidt
- Jochen Schropp
- Jannik Schümann
- Bärbel Schwarz
- Jaecki Schwarz
- Joshua Seelenbinder
- Rebecca Seidel
- Rainer Sellien
- Christian Senger
- Meik van Severen
- Samuel Simon
- Maik Solbach
- Mehmet Sözer
- Lore Stefanek
- Florian Steffens
- Karoline Stegemann
- Lars Steinhöfel
- Alina Stiegler
- Thiemo Strutzenberger
- Pascal Thomas
- Jördis Trauer
- Bastian Trost
- Georg Uecker
- Felix Utting
- Gerd Wameling
- Mark Waschke
- Kathrin Wehlisch
- Alexander Weise
- Jill Weller
- Tommy Wiesner
- Lea Willkowsky
- Gustav Peter Wöhler
- Nadine Wrietz
- Meo Wulff
- Carmen Yasemin Zehentmeier
- Benedikt Zeitner
- Helmut Zhuber
- Paul Zichner
- Daniel Zillmann
- Marcus Jürgen Zollfrank
- Anian Zollner
Im Interview gab Hanczewski an, dass einige weitere schauspielerisch Tätige sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht dem Manifest anschließen wollten, es aber zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausschließen würden.
Rezeption[]
Die Filmgesellschaft UFA erklärte zeitgleich ihre Solidarität und zitierte ihren CEO Nico Hofmann: „Das SZ Magazin und die Initiative #actout machen stolz. Ein kraftvoller Appell für Toleranz, Offenheit und für alle Beteiligten – ein Beleg der eigenen Souveränität!“ Im November 2020 hatte die UFA eine Selbstverpflichtung zu „mehr Diversität in deutschen Filmen und Serien“ abgegeben; sie strebe an, „die Gruppen Gender, People of Color, LGBTIQ+ und Menschen mit Beeinträchtigungen so abzubilden, wie es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.“
Das Filmfestival Max Ophüls äußerte „größten Respekt, Solidarität und die vollste Unterstützung für #ActOut!“ Der Twitter-Account der Berlinale verlinkte das Manifest und erklärte auf Englisch: “We fully support their more diverse & inclusive vision of cinema” (Wir unterstützen vollends ihre diversere und inklusivere Vision von Kino).
Antoine Monot, Jr., Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Schauspiel - kurz BFFS -, erklärte gegenüber dpa: „Wir unterstützen das und solidarisieren uns mit den 185, die sich geoutet haben […] Ich finde es ganz wichtig, dass man 2021 frei leben kann. […] Dieser Schritt zeigt vielen anderen, was möglich ist“.
Der Aktivist und Filmemacher Rosa von Praunheim hatte den SZ-Artikel sofort erfreut bei Facebook verlinkt, zusammen mit einer Regenbogenfahne. Die ARD-Talkerin Anne Will hatte das Manifest umgehend auf Twitter kommentiert: „Das ist stark“. Jenny Luca Renner, LGBT*Vertreterin im ZDF-Fernsehrat, hatte die Aktion gegenüber dpa begrüßt: „Die Kraft und den Schutz der Masse genutzt. Großartig“. Renner wies darauf hin, dass selbst Künstleragenturen queeren Personen von einem öffentlichen Coming-out abraten würden – aus Angst, keine Hetero-Rollen mehr angeboten zu bekommen.
In mehreren Ländern berichteten Medien über die Initiative, die zwischenzeitlich auf 16 Sprachen veröffentlicht wurde. Die US-amerikanische Transgender-Schauspielerin Jamie Clayton bezeichnete die Aktion als „episch“. Der Hollywood Reporter, US-Fachzeitschrift der Filmindustrie, brachte einen eigenen Artikel zu #ActOut.
Das Kölner LGBT*Onlinemagazin Queer.de dokumentierte ein Statement der 2019 gegründeten Berliner Initiative Queer Media Society (QMS) zum gemeinsamen Coming-out der 185 Schauspielstars: „Allein schon der Vorgang, jemandem im Branchenkontext zu raten, sich nicht zu outen, ist diskriminierend. Egal, wie ‚gut gemeint‘ das sein mag.“ QMS habe die Vorbereitungen des Manifests begleitet, ebenso die Januarausgabe von Maren Kroymanns Comedysendung Kroymann, bei der fast der gesamte Cast „mit queeren Schauspielenden besetzt“ war. Auch sprach das Magazin von einem „demonstrativen Schulterschluss der Deutschen Filmakademie (DFA), der Deutschen Akademie für Fernsehen (DAfF) und dem Bundesverband Schauspiel“ mit den Unterzeichnenden. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) erklärte: „Wir finden die Initiative wichtig und toll. […] Zudem sorgt die Verbindung des Coming-outs mit einem politischen Statement für eine notwendige Diskussion in der ganzen Branche.“
Siehe auch[]
- Das Thema „Homosexualität“ in deutschen Medien
- Liste von Filmen mit Bezug auf Transgender-Themen
- Liste von Filmen und Dokumentationen über nichtbinäre Personen
Literatur[]
- Gay and Lesbian Alliance Against Defamation (GLAAD) (Hrsg.): Where We Are on TV (2020–2021). USA, 13. Januar 2021 (englisch; Statistiken zu LGBT-Rollen im US-Fernsehen; Downloadseite).
Weblinks[]
- Video von NDR Kultur Journal: #ActOut: 185 queere Schauspieler:innen outen sich öffentlich. In: NDR.de. 22. Februar 2021 (6:14 Minuten; Interviews mit Tucké Royale, Karin Hanczewski, Gustav Peter Wöhler und Julian Greis).