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„Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“
Ralf-koenig-paragraf-175

Der §175 Strafgesetzbuch (StGB) war ein Paragraph, welcher 1871 beschlossen wurde, zwischen dem 1. Januar 1872 bis zum 10 März 1994[1] in Deutschland galt und welcher homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte.

Geschichte[]

Vorgeschichte[]

Burning of Sodomites

Verbrennung des Ritters von Hohenberg mit seinem Knecht vor den Mauern von Zürich (1482)

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wandelte sich der Analvehrkehr zwischen Männern von einer zwar sündigen, aber meist völlig legalen Handlung zu einem Verbrechen, das fast überall in Europa mit der Todesstrafe belegt wurde. 1532 schuf Karl V mit der Constitutio Criminalis Carolina für diese Rechtspraxis eine gesetzliche Grundlage, die im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Gültigkeit behielt.

Kaiserreich und Weimarer Republik[]

→ Hauptartikel: Homosexualität in der Weimarer Republik

Im Deutschen Kaiserreich wurde 1. Januar 1872 der § 175 ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Bereits zu dieser Zeit wurden Anstrengungen unternommen, diesen wieder abzuschaffen (bspw. durch Magnus Hirschfeld mit seinem Wissenschaftlich-humanitären Komitee oder durch Adolf Brand) — ohne Erfolg.

Hiller against Paragraph 175

Der linke Publizist Kurt Hiller veröffentlichte 1922 eine Aufsatzsammlung gegen den § 175

In der Weimarer versuchte Hirschfeld nun mit Hilfe der SPD und einer Petition den Paragrafen zu kippen, doch ebenso erfolglos. Die Zeiten waren günstig, denn trotz Strafe blühte die LGBT*Szene in Städten wie Berlin auf und Homosexualität war auf dem besten Weg, so etwas wie gesellschaftliche Akzeptanz zu erfahren.

Nationalsozialismus[]

→ Hauptartikel: Homosexualität im Nazionalsozialismus

Als die Nazis an die Macht kamen, wurde der Paragraf 1935 auf ein Strafmaß von zehn Jahren Zuchthaus erhöht und vier Jahre später die Definition der Unzucht darauf ausgeweitet, dass er auch angewendet werden konnte, wenn "keine körperliche Berührung des anderen stattgefunden hat."

Als schließlich durch die Nazis Arbeits- und Konzentrationslager gebaut wurden, wurden bald neben Juden und politischen Häftlingen auch Schwule dorthin geschickt, da sie wie erstere nach der Eugenik und Rassenlehre der Nazis das Volk schädigten, und mit einem rosa Winkel versehen. Um diese vermeintliche Schädigung zu verhindern oder im Rahmen von Experimenten wurden viele Schwule wurden kastriert und/oder getötet.

Nachkriegsdeutschland und Wiedervereinigung[]

§ 175 removed from stgb

Der Paragraf blieb auch nach Kriegsende bis 1969 (in der DDR bis 1968) unverändert in Kraft und wurde dann entschärft, aber nicht aufgehoben. Es wurden lediglich die Schutzaltersgrenzen verschoben; jedoch nicht an die für Heterosexuelle geltende angeglichen.

1989 strich die DDR kurz vor dem Mauerfall das Gesetz. Nach der Wiedervereinigung beschloss Helmut Kohl 1994, diesen Schritt ebenfalls zu gehen, da man einen Kompromiss beider Gesetzbücher finden wollte. Damit wurden etwa 50.000 Urteile aufgehoben.

„Mehr als 50.000 schwule Männer wurden verfolgt, ohne verurteilt zu werden. Sie verloren Ihre Jobs und mussten finanzielle Einbußen hinnehmen. […] Deshalb fordern wir auch weiterhin eine Kollektiventschädigung ein, die allen älteren zu Gute kommen soll, die von der Verfolgung, Ablehnung und Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen betroffen waren.“ – Reinhard Klenke, Vorstand der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS)[2]

Eine Rehabilitierung der zu Unrecht verurteilten fand erst 2017[3] (StrRehaHomG), auch wenn die Verurteilungen bereits am 17. Mai 2002 für nichtig erklärt wurden, und auch in unzureichendem Maße statt (bspw. wenn zwar eine Verfolgung, jedoch keine Verurteilung stattfand oder wenn es sich um Lesben, trans* oder Intersexuelle handelte). Für die Entschädigungen wurden 4.500.000 € aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt.[2]

Am 14.03.2019 kündigte Bundesjustizministerin Katarina Barley an, das Gesetz dahingehend zu ändern, dass auch unverurteilte Geschädigte Entschädigung erhalten können.[4]

§175a Strafgesetzbuch[]

(folgt...)

Siehe auch[]

Einzelnachweise[]